I know. It seems a little late for this post, actually it was supposed to appear here much earlier, but right after Knut's death, with all the grief, and the pressing questions of WHY he had to die so young and WHAT was the background of the disease, I found it difficult to go into the discussion about Knut's remains displayed in a museum. The press was full of it, the emotions ran high, which was reflected too in the book of condolence provided by the zoo. On 27 April, Christina took up the topic in her blog, adding the question if Knut wouldn't be better placed as wax figurine at Madame Tussaud. Surely an attempt to create an alternative to the museum. The many reactions show how much this issue remains controversial and how much it still hurts. The stuffed bear at the Natural History Museum of Iceland, which I found in relation to the killings of stranded polar bears there, is another, particularly sad testimony of the disturbed relationship of man to animal. Imre Grimm's article, published on 28.03. 2011 in the Hannoverschen Allgemeinen, took up the discussion and is about this disturbed relationship which reminded her of a song from the 70ies based on Frank Tashlin's children's book"The Bear Who Wasn't". Instead of translating the article, please find in the New York Times another article related to the same discussion and which has stirred lots of reactions too.
Lasst Knut in Ruhe!
Nach dem plötzlichen Tod des berühmtesten Eisbären der Welt sorgt ein merkwürdiger Plan für Empörung: Der Berliner Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz will Knut ausstopfen und ins Naturkundemuseum stellen lassen. Profit bis über den Tod hinaus? Ein würdeloses Unterfangen
Es gibt ein altes Kinderbuch aus den siebziger Jahren. Es heißt „Der Bär, der ein Bär bleiben wollte“. Es ist eine wunderbare, universale Fabel auf die Borniertheit der Menschen: Ein Bär hält Winterschlaf, und als er erwacht, haben die Menschen an seinem Schlafplatz eine Fabrik errichtet. Jemand schreit ihn an, er möge sich gefälligst rasieren und anziehen, und plötzlich steht er vor dem „Präsidenten“ der Fabrik und soll beweisen, dass er ein Bär ist und kein fauler Arbeiter. „Soso“, sagt der Präsident, „Sie sind also ein Bär.“ Monate ziehen ins Land. Der Bär vergisst beinahe, dass er ein Bär ist. Er sitzt an einer Maschine, er ist unglücklich. Und irgendwann steht er am Zaun, schnuppert und denkt: „Es riecht nach Schnee.“
Es ist ein trauriges, düsteres Buch über die Ahnungslosigkeit des Menschen, seine Naturferne, das Funktionieren-Müssen. Reinhard Mey hat später daraus ein Lied gemacht. Die Vorlage lieferte ein Trickfilm von Frank Tashlin aus dem Jahr 1967. 44 Jahre ist das her. Und noch immer gibt es Bären, die funktionieren sollen, die ihren Dienst tun sollen als pelzige Geldmaschinen, weit über ihren Tod hinaus.
Wer hatte bloß diese Schnapsidee? Wer war das nur, der neben dem toten Knut stand, während draußen Tausende um den ertrunkenen Eisbären trauerten, und ernsthaft sagte: „Ich hab’s: Wir stopfen ihn aus und stellen ihn ins Museum“? Wer denkt so etwas? Gäbe es ein traurigeres Ende für Knut nach diesem verpfuschten, kurzen Bärenleben?
Knuts Fell liegt schon im Naturkundemuseum, ein Präparator war bereits bei der Obduktion im Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung dabei. Die Verantwortlichen sehen sich im Recht. Knut sei ein „weltweites, emotionales Maskottchen” gewesen, sagt
vom Zoo Berlin. Kritik an den Präparationsplänen lässt er nicht gelten. „Viele finden das gut.“ Tatsächlich? Aber wo sind die alle? Wer findet das gut? 8469 Menschen nahmen bis gestern Abend im Online-Kondolenzbuch des Zoos von Knut Abschied. Nur eine Handvoll will Knut im Museum sehen, die Mehrheit ist empört. Tausende haben ihrem Zorn in Briefen, E-Mails, Anrufen Luft gemacht, längst nicht nur verspannte, fundamentalistische Tierrechtler.Der
„Der Bär ist tot. Viele unserer Tiere kommen ins Museum. Wenn es unwürdig wäre, gäbe es keine Naturkundemuseen.“ Das ist eine interessante Logik: Das Zurschaustellen im Museum rechtfertigt das Zurschaustellen im Museum. Aber die Zoo-Verantwortlichen, die seit Knuts plötzlichem Tod vor zehn Tagen keine Gelegenheit auslassen, ihren Ruf als kaltherzige Profiteure zu festigen, unterschätzen die emotionale Wirkung, die Knut auf viele Menschen hatte. Natürlich treibt die Trauer um Knut auch absurde Blüten. Natürlich ist es Unfug, ihn an der Seite seines Pflegers Thomas Dörflein zu bestatten, wie es manche forderten.
Aber es gibt eben Tiere, die wachsen Menschen ans Herz wie ein Mensch. Wer hat als Kind nie einen Wellensittich im Garten beerdigt, mit selbst gebasteltem Holzkreuzchen? Wer saß noch nie im Wartezimmer einer Tierarztpraxis einer Katzenbesitzerin mit rot geweinten Augen gegenüber? Wen rührte die Geschichte von Gorilladame Binti Jua nicht, die im August 1996 einem dreijährigen Jungen im Zoo von Chicago das Leben rettete, der in das acht Meter tiefe Primatengehege gefallen war. Sie schützte das bewusstlose Kind vor anderen Gorillas, trug es zum Ausgang und legte es den Pflegern vor die Füße. Knut war eine Projektionsfläche für Träume und Hoffnungen, sein Tod ein Ventil für die Trauer um den Verlust der eigenen, kindlichen Unschuld. Wer will schon seine Träume und Hoffnungen tot im Museum sehen, eingestaubt, mit Glasaugen und von Motten zerfressen?
Es geht um Geld, natürlich. Aber sie würden das nie so sagen. Sie sagen lieber, man wolle ihn „der Wissenschaft zur Verfügung stellen“. Blaszkiewitz erinnerte in einem Interview an den Gorilla Bobby, der im Berliner Zoo starb und ausgestopft wurde. Der sehe so echt aus, „als ob er gleich aufstehen würde“. Mag sein. Aber das war 1935. Die Präparation hat ihren Ursprung in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als importierte Wildtiere aus den deutschen Kolonien der staunenden Öffentlichkeit vorgeführt wurden. Inzwischen aber hat sich die Welt weitergedreht. Unser Verhältnis zu Tieren erlebt einen Wandel. Man darf die Frage stellen, ob ein ausgestopftes Zootier die Wissenschaft heute wirklich noch voranbringt. Oder welches Schulkind nicht weiß, wie ein Eisbär aussieht.
Blaszkiewitz bezeichnet sich selbst als „historisch ausgerichteten Zoodirektor“, man dürfe ihn gern „konservativ“ nennen. Erlebniszoos sind seine Welt nicht, die Simulation echter Lebensräume sei der falsche Weg.
„Zoos sind vom Menschen für Menschen geschaffen“, sagt er. Und: „Gefangenschaft und Freiheit sind Begriffe aus dem menschlichen Repertoire.“ Raubtiere, die an ihren Gitterstäben entlangpendelten, seien keineswegs frustriert. „Da sitzt in den Köpfen dieses furchtbare Gedicht von Herrn Rilke mit dem Panther und dem müden Blick.“
Kann jemand Tiere lieben, der so spricht? Wird man automatisch selbstherrlich, wenn man Herr über Tausende Tiere ist, von denen keines widerspricht?
Am Donnerstag will der Zoo auf einer Pressekonferenz Details zu Knuts Tod nennen – und sich der Kritik stellen, das Tier sei durch Stress krank geworden. Und was wäre die beste Lösung für den toten Knut? Ihn ordentlich zu begraben. Und im Zoo eine kleine, bronzene Nachbildung aufzustellen, damit die Blumen, die Karten, die Trauer einen Ort hätten.
Imre Grimm/Hannoversche Allgemeine Zeitung 28.03.2011
Der Bär, der ein Bär bleiben wollte
Er lebte in den Wäldern und lebte frei und allein,
sein Reich ging von den Hügeln bis tief ins Land hinein.
Vom Bach bis an die Ufer seines Flusses und von da
hinab bis in die Täler, soweit sein Auge sah.
Er kannte jede Höhle und fast jeden Blaubeerstrauch,
die Lieblingsplätze der Forellen selbstverständlich auch.
Und abends liebte er es, im hohen Gras zu stehn,
an einen Fels gelehnt zu denken, und ins Land hinauszusehn.
So stand der Bär auch an jenem Nachmittag auf dem Fels,
recht deutlich spürte er den Herbstwind schon in seinem Pelz.
Am Himmel sah er Wildgänse in Scharen südwärts ziehn,
er gähnte oft, und er war müd', und es fröstelte ihn.
Er trottete zu seiner Lieblingshöhle durch das Laub,
verscharrte noch den Eingang hinter sich und sprach:
"Ich glaub' es riecht nach Schnee",
während er letzte Vorjkehrungen traf.
Legte sich auf sein Lager und begann den Winterschlaf.
Er sollte recht behalten, es begann noch nachts zu schnei'n.
Der Winter zog in seinen Wald, der Boden fror zu Stein.
Ein eis'ger Wind sang in den klaren Nächten im Geäst.
Dem Bär'n in seinem Unterschlupf war warm, und erschlief fest.
Doch mit dem Winter kamen auch die Menschen in den Wald.
Sie fällten Baum um Baum, vermaßen, zäunten ein und bald
brachten sie Kräne, Rohre, Bagger, Stahlbeton. Schon stand
genau über der Höhle eine Fabrik im Land.
Der Frühling kam, und gut gelaunt erwachte auch der Bär
tief unten in der Höhle, nur das Aufstehn fiel noch schwer.
Und als er dann schlaftrunken durch den engen Ausgang stieg,
stand er ungläubig mitten auf dem Vorhof der Fabrik.
Da kam auch schon ein Pförtner brüllend auf ihn zumarschiert,
"Los Du da, an die Arbeit, statt hier 'rumzustehn, kapiert."
"Verzeihung", sprach der Bär verstört, "aber ich bin ein Bär."
"Jetzt reicht's mir", schrie der Mann, "Zum Personalchef, kein Wort mehr!"
Der Personalchef war ein muffiger, verhärmter Mann.
"Ich bin ein Bär", sagte der Bär, "das sieht man mir doch an."
"Was ich sehe, ist meine Sache" sprach der Mann, "und Du
bist ein dreckiger Faulpelz und noch unrasiert dazu."
Dann schubste er ihn zum Vizedirektor, der aktiv
und sehr ergeben unterwürfig den Direktor rief.
Der sprach und ließ dabei seinen Managersessel drehn,
"Unser Herr Präsident wünscht das faule Subjekt zu seh'n."
"Soso", sagte der Präsident, "Sie sind also ein Bär."
Er hatte das größte Büro und langweilte sich sehr.
Er war so mächtig, daß er keinen Schreibtisch mehr besaß,
keine Krawatte tragen mußte und nur Comics las.
"Wenn Sie ein Bär sind, bitte, dann beweisen Sie das auch."
Der Bär kratzte sich vor Verlegenheit über den Bauch.
"Nein, Bären gibt es nur in Zoo und Zirkus kurz und klein.
Genau dort hol'n wir jetzt ein Gutachten über Sie ein."
Die Präsidentenlimousine fuhr den Bär'n zum Zoo,
und seine Artenossen musterten ihn schadenfroh.
Und einstimmig erklärten sie, wer Auto fährt, und wer
nicht hinter Gittern lebt, sei alles andere als ein Bär.
Die Tanzbären im Zirkus urteilten genauso prompt,
weil wer nicht tanzt und radfährt, nicht als Bär infrage kommt.
Die Heimfahrt über dachte er "und ich bin doch ein Bär,
ich weiß es doch, ich weiß es", doch er wehrte sich nicht mehr.
Er ließ sich Arbeitszeug anzieh'n, und als man ihm befahl,
sich zu rasier'n, rasierte er sich seine Schnauze kahl.
Stempelte seine Stechkarte wie jeder andre Mann
und lernte, daß der Tag mit einem Hupsignal begann.
Er ließ sich an eine Maschine setzen, wo ein Griff
von rechts nach links zu dreh'n war, wenn eine Sirene pfiff.
Und wenn man das versäumte, leuchtete ein rotes Licht,
das zeigte, ob der Mann daran grad' arbeitete oder ob nicht.
So stand er Tag für Tag an der Maschine, drehte stumm
den Griff von rechts nach links und danach wieder rechts herum.
Nur in der Mittagspause mußt' er zum Fabrikzaun gehn,
um durch Maschinen und Stacheldraht ins Land hinauszuseh'n.
Die Osterglocken blühten und verblühten vor dem Zaun.
Ein Sommer kam und ging, der Herbst färbte die Wälder braun.
Am Himmel sah er Wildgänse in Scharen südwärts ziehn.
Er gähnte oft, und er war müd', und es fröstelte ihn.
Er gähnte immer mehr, je mehr er sich zusammennahm.
Er wurde immer müder, je näher der Winter kam.
Vom Wachen taten ihm oft mittags schon die Augen weh.
Er stand am Zaun und sagte vor sich hin: "Es riecht nach Schnee."
An dem Nachmittag schlief er glatt an der Maschine ein,
hörte nicht die Sirene, nur den Personalchef schrei'n,
"He, Du da, raus, Du bist entlassen, hier ist Dein Restlohn."
"Entlassen?", jubelte der Bär und machte sich davon.
Sein Bündel auf der Schulter, wanderte er ohne Ziel
einfach gradaus im Schnee, der schon in dicken Flocken fiel.
So ging er einen Tag, eine Nacht und noch einen Tag
auf der Standspur der Autobahn, wo nicht so viel Schnee lag.
Mal zählte er die Autos, die er sah, doch ihm viel ein,
daß er nur bis fünf zählen konnte, und so ließ er's sein.
Und dann am zweiten Abend sah er in der Ferne hell,
im dichten Schneegestöber Neonbuchstaben: "Motel".
Durchfroren, naß und müde trat der Bär an den Empfang.
Der Mann hinter dem Tresen rührte sich nicht und schwieg lang.
Tat unheimlich beschäftigt, um beiläufig zu erklär'n:
"Wir haben keine Zimmer frei für Landstreicher und Bär'n."
Habe ich das Wort 'Bär' gehört, sagten Sie 'Bär' vorhin?
Das heißt, Sie sind der Meinung, daß ich wirklich einer bin."
Der Mann griff kreidebleich zum Telefon, der Bär ging schnell
zur Tür, und er verschwand im Wald, gleich hinter dem Motel.
Er stapfte durch den Wald, der ihm jetzt fremd und feindlich schien.
Er ging, und nach und nach verließen seine Kräfte ihn.
Ich muß jetzt darüber nachdenken, dachte sich der Bär,
was mit mir werden soll, wenn ich nur nicht so müde wär'.
Er setzte sich vor eine Höhle und starrte noch lang
ins Leere, hörte, wie der Schneesturm in den Bäumen sang.
Er spürte ihn nicht mehr und ließ sich ganz und gar zuschnei'n, und vor
dem dritten Morgen seiner Reise schlief er ein.
Reinhard Mey's song can be heard here. The story is based on Frank Tashlin's "The Bear Who Wasn't", the children's book was translated also into Dutch, French, Spanish and even Japanese.
Sources, credits and related:
-Knut im Museum - Oder bei Madame Tussaud?/ Christina's Blog 27.04.2011
-Lasst Knut in Ruhe!/ HAZ 28.03.2011 (Imre Grimm)
-For Mourner's of Knut, a Stuffed Bear Just Won't do/ New York Times 11.04.2011, comments
Petition: Knut gehört nicht ins Museum
Soll Knut ausgestopft ins Museum?
Tagesspiegel: Wie sollte ein Denkmal für Knut aussehen?
1 Kommentar:
Liebe Birgit,
vielen Dank, dass Sie mit diesem Artikel der Hannoverschen Zeitung noch einmal an die Diskussion um Knuts geplante bzw. wahrscheinlich schon längst beschlossene Präparation erinnern. Bei den zitierten Äußerungen von Blaskewitz kocht auch jetzt nach so vielen Wochen immer noch die Wut hoch.
Zu der Selbstherrlichkeit der Menschen, über das Schicksal der nach ihrem Sinne zu funktionierenden Tierwelt zu bestimmen, sagt die Geschichte von dem Bär, der ein Bär sein wollte alles aus. Danke für den Text und Link auf das traurige Lied dazu von Reinhard Mey.
Vor ca 40 Jahren habe ich diese Geschichte auch meinen Kindergartenkindern erzählt, damit sie lernen, auch Tieren Achtung und Respekt entgegenzubringen.
Aber der Lernprozess scheint bei vielen selbsternannten "Göttern" noch nicht eingesetzt zu haben...
Deshalb finde ich es so wichtig, dass sich mittlerweile, und ich glaube gerade angeregt durch Knut, so viele Menschen weltweit Zoos und die Lebensbedingungen dieser Tiere beobachten und darüber berichten, um neben schönen Geschichten auch auf Missstände aufmerksam zu machen.
Herzlichen Dank auch Ihnen und liebe Grüße
Britta-Gudrun
PS. Ihren Rodrigues-Blog schaffe ich nicht immer, aber ich arbeite daran …den Prinzbesuch auf Ihrer Insel habe ich natürlich direkt nach Ihrem Hinweis gelesen und sympathisch ist er
allemal.
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